Schwarzwaldflug – Eine Dreierequipe der SGL am Hotzenwaldwettbewerb 2003

Wie organisiert ein Pilot, der gerne einen Wettbewerb mit dem Doppelsitzer fliegen möchte, seine ideale Mannschaft? Er heuert zwei Hilfsleute an – junge Pensionierte, die sollten Zeit haben – von denen der eine es vorzieht, nicht mit zu fliegen. Also wird der andere zum Copiloten befördert, eine Charge, die er mit leidenschaftlichem Interesse wahrnimmt, während der Erstere für den perfektesten Bodenservice besorgt ist, vom gedeckten Frühstückstisch bis zu langen Rückhol-Operationen. Die Crew sieht dann so aus:

Am Freitag (6. 7.), mittags 12 Uhr, haben wir uns alle drei auf dem hochgelegenen Fluggelände von Hütten am Südrand des Schwarzwaldes eingefunden. Der Anhänger 2L grüsst bereits vom Pistenrand herüber, allerdings ist er noch leer. Auf dem Nachbarfahrzeug prangt das Kennzeichen XB. In der Tat ist Max Brauchli mit seiner LS 8-18m der Vierte im Bunde aus den Reihen der SGL. Daneben werden wir unter den 31 teilnehmenden Flugzeugen nur noch 3 HB-Immatrikulationen finden. Die Restlichen sind in Deutschland eingetragen. Zunächst richten wir am schattigen Waldrand unser Camp ein, platzieren Wohnwagen und Zelt, für zehn Tage unsere geräumigen Zuhause im Grünen, mit Aussicht auf die hier liebliche, offene Schwarzwaldlandschaft und den Pistenbetrieb. 

Ein wahres Idyll: Um 8 Uhr erwartet uns Leos Frühstückstisch im Grünen

Die ersten Kontakte mit den Einheimischen ergeben sich spontan, unkompliziert und freundschaftlich. Im Nu hat man sich umgewöhnt: Man grüsst sich weder mit "hoi!" noch mit "grüezi", man ruft "hallo!" mit Betonung auf der Endsilbe. Das gesprochene Deutsch entbehrt jeder Zackigkeit, fliesst hell, geschmeidig und melodiös, nicht ohne Eleganz. Man begegnet spontaner Hilfbereitschaft und fühlt sich als willkommener Gast. So werden  wir den ganzen Aufenthalt in einer offenen, kollegialen Ambiance geniessen. Im späteren Nachmittag muss dann der Duo noch überflogen werden. Wir wollten ihn halt nicht demontieren.  Also fahren wir zu dritt ins Birrfeld. Ich starte Richard und Leo im Doppelsitzer, lade alles Zubehör ein und komme vor dem weissen Vogel wieder in Hütten an. Die beiden Kollegen haben noch ein wenig die Thermik ausgekostet. Nachdem die Maschine eingekleidet und am Pistenrand verankert ist, sind wir bereit für die Eröffnung des Wettbewerbs am Samstag. Von insgesamt 8 möglichen Wettbewerbstagen wurde nur der vorletzte (Freitag, 13.6!) neutralisiert. Es war nicht zu erwarten, dass sich an diesem Tage ein ganzes Feld bis zur Eröffnung der Startlinie würde in der Luft halten können. Entsprechend prekär waren die Aussichten für Streckenflüge. In den 7 Wertungstagen verfolgte uns das Pech, lachte uns das Glück. Die Wetterbedingungen - von äusserst schwierig bis stellenweise Hammer - waren oft geprägt von Labilität, die vor allem auch dem Südschwarzwald schöne Quellwolken bescherte.

Beim Briefing gabs jeweils ein kleines Geschenk: heute einen Putzkessel.

Doch war die Basis bei Wettbewerbsbeginn manchmal noch tief und später Tendenz zu Überentwicklungen, Schauern und regional heftigen Gewittern angesagt. Manchmal konnten wir unter tragenden Wolkenstrassen lange in hohem Tempo vorfliegen, um dann - vor allem weiter nördlich – in grössere Räume mit vorwiegend Blauthermik zu gelangen, wo es schon schwieriger wurde, die Ideallinie zu finden. Abstecher in den Jura liess die Meteo leider nicht zu, und so bewegten wir uns täglich in einem Rayon, der das Dreieck Hütten – Freudenstadt – Zwiefalten nicht überschritt. Die 31 Flugzeuge flogen in 3 Klassen: Standard (15), 18 m (8) und Doppelsitzer (8). Letztere stellte sich als schwerste Klasse immer zu hinterst auf  und kam daher zuletzt in die Luft. Trotz sehr speditivem Schleppbetrieb konnte das bei schneller Wetterentwicklung ein gewisses Handicap sein. Wettbewerbsleiter Eckart Neubronner bemühte sich sehr,  jeweils die Aufgabenstellung den vorausgesagten Meteo-Bedingungen anzupassen. Neben 2 klassischen Geschwindigkeits-Dreiecken (AST) waren es Distanzaufgaben innerhalb einer vorgeschriebenen Zeit (2, 2 ½, 3 Std.). Um den einen oder zwei Wendepunkte waren Kreisflächen mit Radien von 40 oder 30 km angelegt, die es zu erreichen galt. Wer schnell war, konnte innerhalb der Kreise seinen Flug noch ausdehnen. Dies ermöglichte eine der unsicheren Wetterlage gemässe flexible Navigation. Bemerkenswert auch, dass - ausser den 18m-Seglern am Donnerstag -  niemand je eine 300 km-Aufgabe gestellt bekam. 

Warten auf Thermikbeginn.

Die Konkurrenz beginnt am Samstag für alle mit einer optimistischen Distanzaufgabe mit Kreismittelpunkten Winzeln und Sigmaringen. Erwartet werden "örtlich starke Gewitter  mit Hagel." Wir starten um 13.02 Uhr hinter der Super-Dimona! Wir rollen, rollen und rollen. Die Dimona klettert die in der Piste vorhandene Geländekuppe hoch, noch immer mit Bodenkontakt. Schwupps über die Welle, endlich lösen sich Schleppmaschine und Duo vom Boden. Das Gelände sinkt nun, der Schleppzug auch. Schon winken die Tannen an der Hangkante. Mein Vertrauen in Richi's Einschätzungsvermögen ist selbstverständlich unerschütterlich. Über die Tannenwipfel gleiten wir ins Leere. Tief unter uns das Rheintal. Langsame Rechtskurve. Der Waldhang kommt wieder. Zur Rechten bald das enorme betonierte Hornberg-Speicherbecken, unter uns und um uns Tannenwald, viel zu viel. Es ist wirklich ungastlich, verglichen mit dem Birrfeld oder mit St-Auban. Wo ist der Platz? Irgendwo hinter unzähligen Schwarzwaldtannen. Wir wären noch viel zu tief, um ihn jetzt erreichen zu können. Aber wir sind ja in der Luft! Und die trägt. Im schlimmsten Fall wäre auch weit unten noch die Landewiese von Wehr. Geduldig hinter dem Motorsegler hängend, steigen wir sachte, langsam mit 110 km/h am Geschwindigkeitsmesser. Mit der Zeit kann ich den Platz ausmachen, in einem noch reichlich ungenügenden Winkel, denn wir sind recht entfernt. Schliesslich können wir in einigermassen akzeptabler Höhe klinken und die mühsame Aufwindsuche beginnt. Unsere Überzeugung ist gemacht: Nie wieder Dimona. Aber wahrscheinlich hatten wir beim Start eine unglückliche Windkomponente.

Nächstentags fiel uns wieder die Dimona zu und der Flugdienstleiter versicherte, wir würden zufrieden sein. Tatsächlich fand ich es bald lässig, im Rücksitz hinter der Dimona zu starten. Die langen Flügel, die zu beiden Seiten von Richis Kopf sichtbar waren, gaben eine bessere Bezugsmöglichkeit als die kurzen Stummel der Robin, und der langsamere Schlepp vermittelte mehr Segelflug-Feeling. Aber heute haben wir noch ein anderes Problem: Nur äusserst mühsam können wir uns auf einer sicheren Höhe halten.  Eine hohe schwarzgraue Wand versperrt uns breit den Weg nach Norden. In diese Suppe können wir nicht einfliegen. Bei der Umgehung nach Osten stossen wir an die Höhenbegrenzung der TMA-Zone 1350 m von Zürich. Also sind uns die Wege verbaut. Noch vor 3 Uhr landen wir wieder unverrichteter Dinge in Hütten. Mit 0 Punkten teilen wir mit 3 andern den 6. Rang. Niemand, aus keiner Klasse, kommt heute zurück. Selbst ein späterer Medaillengewinner bringt es auf 1,2 km Distanz. Für einmal war das Pech.


Am 2. Tag geht's aufwärts. "Thermik vorübergehend gut, nachmittags starke Überentwicklungen" ist angesagt. Die Kreismittelpunkte wären diesmal St. Georgen und Gammertingen. Wiederum ist es schwierig, sich in der Luft zu halten. Aber heute soll es gehen! Also: Startlinienüberflug und dann weg Richtung Schluchsee. Nachher muss einfach etwas kommen! Es kam dann nichts. Wir sanken tiefer und tiefer. Schon konnten wir mit ansehen, wie ein Kollege aus der Standardklasse weit unter uns auf einem Acker aufsetzte: Tipptopper Anflug, eine kleine Spur, ein Stäublein und das Flugzeug stand still. Wir waren schon zu tief für die Rückkehr zum Platz und begannen immer ernsthafter nach einer Landemöglichkeit zu spähen. Hier, östlich von Herrischried war die Landschaft tatsächlich noch offen und wir konnten verschiedene Varianten diskutieren. Die "Bananenwiese" da, ja die gefiel mir weniger. Aber dort war ein Hochplateau mit einem langen und breiten grünen Streifen zwischen Strasse und Waldrand. "Behalte sie im Auge", empfahl Richard, der verzweifelt weiter kurbelte. Als wir noch tiefer waren, stach uns plötzlich ein helles Band entlang einem Strässchen  ins Auge. Alles schien zu stimmen: Wiese gemäht, genügend lang und breit, absolut flach und horizontal, mit naher Waldecke, die Schatten versprach. Es war Zeit. Aus dem letzten Suchkreis drehten wir in den Direktanflug, schwebten lange aus über dürrem Heu und stoppten genau am Ende. Wie schön das Gelände war! Alles eben, etwas zu kurz für einen Flugplatz, aber eigentlich besser als Hütten! Wir waren an einer Wanderroute. Den zufällig anwesenden Automobilisten konnten wir nach der genauen Position auf der Karte fragen: Wir befanden uns oberhalb des Dorfes Segeten. Es war Sonntag. Im Nu waren 10 Autos angefahren und eine Horde von Erwachsenen und Jugendlichen bewegte sich auf unseren Duo zu. Wir mussten über vieles Auskunft geben, über das Wie ("Wie kommen Sie hier wieder weg?"), Warum, Woher. Nachdem ihre Neugier gestillt war und wir den Duo für die Demontage bereitgestellt hatten, waren wir auch wieder allein. An der Waldecke stand ein Bänklein im Schatten, wo wir uns niederliessen. So traf uns Leo, als er mit einem rekrutierten Hilfsmann und unserem Anhänger anrückte. Warum denn niemand an die Hauptstrasse gestanden sei? Wir seien nicht einfach zu finden gewesen! An diesem 2. Wettbewerbstag haben wir offiziell 3 km zurückgelegt und dafür 4 Punkte erhalten. Wir waren nicht mehr Letzte. Unweit von uns, auf einer Wiese bei Ibach, standen zwei weitere Duos. Nur zweien gelang die Rückkehr.

Am Montag, dem 3. Tag, geht's endlich richtig los. Die Gewitterneigung hat abgenommen, die Basis verspricht, bis auf 2000 m zu steigen und bringt nun gute Operationshöhen, die Thermik soll "überwiegend gut" sein, und heiss ist es allemal, zumindest am Boden. Bis zur Eröffnung der Startlinie gewinnen wir mühelos Höhe und dann geht's nach Norden! Über uns zeigen Wolken den Weg, während wir ins dunkle gewellte Relief des Hochschwarzwaldes hinein fliegen. Es ist eine mächtige Urlandschaft aus dunklen Waldrücken und tiefen Taleinschnitten. Da muss man schon genügend hoch sein! Weit unten grüsst die Domkuppel von Sankt Blasien, gleich nachher öffnet sich der Tiefblick auf den waldgesäumten Wasserspiegel des Schluchsees,  weiter links glitzert der kleine Titisee, und ich vergleiche insgeheim mit der lieblichen Gegend  unserer Jurafuss-Seen. Der Gegensatz könnte nicht grösser sein. Vorderhand habe ich viel zu tun, um die Landschaft in den Griff zu bekommen. Einiges kenne ich vom Boden aus, vieles bezeichnet mir Richard und ich mühe mich intensiv mit der Karte ab. Links unten schon Titisee-Neustadt, wir liegen recht gut auf Kurs und müssen wenig kurbeln. Es geht an Sankt Georgen vorbei Richtung Flugplatz Winzeln-Schramberg, dem ersten Wendeort. Nun wird es unter uns flacher, auch belebter mit Siedlungen und Verkehrswegen. Viel Wiesland bietet wieder gute Aussenlandemöglichkeiten. Zur Linken erhebt sich deutlich der Nord-Süd verlaufende Hauptkamm des Schwarzwaldgebirges, der den Grabenbruch der Oberrheinischen Tiefebene als Gegenstück zu den Vogesen im Osten begrenzt. Nach der Wende nehmen wir Kurs auf Sigmaringen, den zweiten Wendepunkt. Es wird schon schwieriger, schnell vorwärts zu kommen. Die Cumuli machen sich rar am blauen Himmel. Wir sind tiefer und müssen mehr suchen und kreisen, oft zusammen mit einem andern Segelflugzeug. Nach dem Neckartal überqueren wir die Autobahn Bodensee-Stuttgart. Auffällig für das Auge eines Schweizers ist die scheinbar unendliche Weite des gleichen Landschafstyps, landwirtschaftlich geprägt mit fladenförmig ausgebreiteten Haufendörfern. Im Südosten ist nun die Schichtstufe der Schwäbischen Alb erkennbar. Der 400m hohe Steilabfall, der Albtrauf, zieht sich als dunkles Band durch die Landschaft. Wir sind noch über dem Albvorland. Seine vielen Hügel sind Zeugenberge, Reste der ehemaligen Albfläche, die die Erosion herausmodelliert hat. Markante Erhebungen wie Plettenberg und Hohenzollern gehören dazu. Doch wie finden wir den Einstieg auf die Alb? Direkt gegen das Klippeneck ist nichts viel Versprechendes zu erblicken. Etwas weiter östlich scheint es besser zu gehen. Unter uns liegt bald die Donau. Nach Osten ziehend, ist sie hier noch ein kleines Flüsschen, das aber ein eindrückliches Durchbruchstal in die Kalkschichten der Alb gegraben hat. Viele heute tote Mäander liessen die hell leuchtenden Kalkwände weit auseinanderrücken. Deutlich sieht man den Raum, den die ehemaligen Fluss-Schlaufen geschaffen haben. Schön sind Prall- und Gleithänge ausgeprägt. Da und dort sind runde, flachkeglige Umlaufberge herausgeformt worden. In einer Schlaufe liegt die imposante Anlage des Klosters Beuron. Auf den Talrändern sitzen alte Burgen. Ja, die geographischen Formen sind hochinteressant hier, man sollte praktische Erdkunde wahrhaftig mit dem Segelflugzeug betreiben können.
Aber wir sind schon tief. Auf unseren LX5000 sind die nächsten Flugfelder eingestellt. Ich behalte Leibertingen im Auge, das wir auch bald überfliegen. Von hier nach Sigmaringen sind es noch 14 km, also holen wir die Wende. Doch wäre es schon gut, vorher noch etwas Höhe zu machen. Die Suche nach etwas Brauchbarem ist umsonst, darum verschieben wir das "Auftanken" auf nachher. Wir umrunden das Schloss Sigmaringen und gehen eiligst wieder auf Kurs nach Leibertingen. Bald ist es klar: wir würden es nicht mehr erreichen. Über dem südlichen Steilabfall zur Donau spähen vier Augen intensiv nach Landemöglichkeiten. Eine gelbtrockene Wiese am Rande des nächstgelegenen Dorfes kommt schliesslich in die engste Wahl. Etwas westlich davon kreisen wir mit noch knapp 200 m Grund. Plötzlich gelingt es Richard, ein schwaches Steigen eng einzufangen. Und siehe da, es wird stärker, und nach einiger Mühe sind wir wieder einige hundert Meter höher. Es war wirklich die letzte Chance. Nun kann es heimgehen. Auch Wolken zeichnen wieder gegen Westen. Über Leibertingen hinaus kommen wir recht gut vorwärts, passieren Tuttlingen, rechts ab Donaueschingen und… sehen nur noch einen blaugelben Abendhimmel vor uns leuchten. Nun hilft auch das bodennahe Suchen nicht mehr. Wir rufen Reiselfingen auf und landen auf dem Grasstreifen. An dessen Ende erwarten uns bereits zwei andere Duos. Die nächste Enttäuschung ist, dass wir nicht mehr wegschleppen können. Auch die Motorpiloten von Hütten wollen nicht. Der Ausflug ist für Doppelsitzerschlepps zu knapp, und wenn man dann in die Wutachschlucht hineinsinkt, gute Nacht! Wir müssen unser Schicksal in Leos Hand legen. Glücklicherweise gibt es am Platz eine Beiz - nein, eine "Kneipe" sagt man hier - und die haben noch ein paar "kitze-kleine" Resten für uns in Form einfacher Sandwiches. Der nachgereichte Kuchen ist gar "umsonst". Als Leo nach langem mit Richis Voyager und unserem Anhänger auftaucht, ist er hell begeistert über die schöne Fahrt. Auf der Rückreise machen wir noch Bekanntschaft mit den Autos von Uriellas Fan-Gemeinde. Die Blechvehikel stehen in unübersehbarer Zahl in einer abgelegenen Schwarzwaldlichtung um das Haus der Erleuchteten, das wir auf einer Abkürzung passieren. "Zuhause" richtet der zuvorkommende junge Wirt der "Fliegerklause" sogar um 23 Uhr noch etwas her für hungrige Mäuler. Er macht noch "Frikadelle (Hamburger) mit Pommes". An diesem Tag sind wir Fünfte geworden. Max, der Glückspilz, wird ab heute immer Zweiter sein in den Tageswertungen.


Nun sind wir eingeflogen und können Besseres zeigen. Am Dienstag setzt die Thermik erst spät ein. Der Start wird auf den frühen Nachmittag angesetzt und für alle heisst die Aufgabe: Kreis von 40 km Radius um Freudenstadt und zurück innerhalb 2 ½ Stunden. Die Cumuli bauen sich erst etwas weiter nördlich des Platzes auf und die Abfluglinie wird nach Ibach verschoben. Wir passieren sie auf etwa 1900 m und gleiten unter den Wolkenbasen rasch nordwärts. Mit fünf- bis sechsmal Kreisen und dazwischen langen Geradeausflügen erreichen wir nach 1 ½ Stunden den Nordrand des Zielkreises. Wir sind mit über 80 km/h 125 km weit vorgestossen und müssen nun wenden. Auf dem Rückweg sieht es zunächst blauer aus, doch können wir vor Neustadt unter weissen Cumulifetzen bis auf 2600 m steigen. Die letzten 50 km gleiten wir nur noch ab, wir müssen sogar noch aufpassen, denn ab Schluchsee sind wir auf 2300 m begrenzt. Wir landen nach fast 3 ½ Stunden (die zusätzliche Zeit und Strecke zählen ebenfalls in der Wertung) mit der sicheren Erwartung, einen der vordersten Ränge erreicht zu haben. Schon gegen 21 Uhr bringt Richi aus dem Auswertungsbüro die triumphale Nachricht: Tagessieg mit 75,61 km/h über 263,4 km! Warum auch gibt es dafür nur 999 Punkte und nicht 1000? Aber jetzt stehen wir plötzlich auf dem 3. Gesamtrang, einem Medaillenplatz. Den gilt es zu verteidigen! Dies gelingt noch am 5. Wertungstag (Mittwoch), wo wir eine identische Aufgabe fliegen, jedoch nur bis Flugplatz Winzeln. Heute wird einzig die in 2 Stunden abgeflogene Distanz gewertet. Nach der gestrigen Euphorie müssen wir uns mit dem 5. Platz begnügen, behalten aber noch knapp den Bronzerang im Gesamtklassement.


Am Donnerstag ist wieder ein klassisches Dreieck angesagt: Über Winzeln nach Zwiefalten und zurück nach Hütten. Die Meteo meint, die Quellwolken könnten sich zu starken Gewittern entwickeln. Dies trifft aber auf unserem Parcours nicht ein. In nun bekannten Gefilden kommen wir gut voran. Den ersten Wendepunkt umrunden wir in langem Gleitflug und nehmen erst nach dem Überqueren des Neckars über der Autobahn wieder Thermik an. Nun ist es allerdings auch Zeit, wir sind von 2600 m nördlich Neustadt ohne zu kreisen auf 1300 m abgesunken. In grösseren Abständen zeichnen weisse Kumulusbänke über der sonnenbeschienenen Landschaft die Aufwindzonen vor. Wir sind heute nicht allein. Mal über uns, mal unter uns, erblicken wir eine oder zwei Duo-Silhouetten von Konkurrenzmannschaften. Oder ist das dort nicht der DG 500 Trainer, der einzige "Artfremde" in unserer Klasse? Das Kloster Zwiefalten in einem Seitental der Donau umrunden wir hoch, auf 2360 m. Unter unserem linken Flügel begleitet uns die 1M mit Daniel Trümpi und Thomas Della Casa von der SG Möve. Wie sollen wir den Heimweg planen? Die dichtere Wolkenaufreihung legt eher nahe, das Sperrgebiet zwischen Albstadt und Donau nördlich zu umfliegen und somit wieder den beiden ersten Dreiecksschenkeln zu folgen. Wir wagen es, allein den direkten Kurs über Sigmaringen einzuschlagen und müssen es in der Folge nicht bereuen. Via Tuttlingen und Donaueschingen treffen wir immer wieder auf Hammerschläuche, die uns in kurzer Zeit bis 900 m Höhengewinn bringen. In der Nähe von Neustadt "tanken" wir das letzte Mal. Richtung Südwesten sieht die kompakte Wolkenstrasse jetzt so viel versprechend aus, dass wir in einem Zug nach Hause gleiten können. Es trägt so gut, dass wir immer schneller werden. Zuletzt brettern wir im Hochgefühl des vorausgeahnten Tagessieges mit über 200 Sachen über die dunklen Waldrücken und Täler des letzten Streckenabschnittes. Noch über der Ziellinie sind wir 193 km/h schnell. Richi zieht hoch in den Gegenanflug, baut in Windeseile die Geschwindigkeit ab, und schon sind wir gelandet. Ich komme gar nicht dazu, das Steuer zu übernehmen um die Landung aus der Fluglehrerperspektive zu üben. Da fällt mir plötzlich etwas ein: Hatten wir denn beim Überflug die vorgeschriebenen 150 m über Boden? Richard glaubt fest daran, er sieht kein Problem. - Ja, wir waren wieder die Schnellsten: 275,2 km in 2 Std. 46 Min. mit einem Schnitt von über 99 km/h! Der 2. Tagessieg war verpatzt; wir waren beim Überflug 19 m zu tief. Trotz dem 2. Tagesrang fielen wir nun durch das Spiel der Punktezahlen auf den 4. Gesamtplatz zurück.
Wir trösteten uns damit, dass wir ja "eigentlich" schon Tageserste waren.
 

Freitag der 13. Wird wohl heute noch geflogen?


Bleibt noch der letzte Wertungstag, der Samstag: Dreieck Winzeln-Sigmaringen, wie am Montag. aber wegen der unsicheren Wetterentwicklung mit 30 km-Kreisen um die Wendepunkte. Das Wetter verspricht sehr gewittrig zu werden, sogar Hagel ist angesagt. Ich starte und gewinne rasch Höhe, die ich halte bis zum Startlinien-Überflug. Es macht Spass, im hinteren Sitz zu fliegen. Nahe dem Schwerpunkt bekommt man ein feines Gefühl für die Bewegungen des Flugzeuges um alle drei Achsen und legt es mühelos in enge Kreise. Eine schon recht dunkle Wolkenstrasse lädt ein, zuerst etwas nach Nordosten zu fliegen, und wir preschen geradeaus los mit Spitzen von über 210 km/h VGd. Sicher kommen uns die 40 Liter Wasser zu gute, wir haben heute die für Doppelsitzer erlaubte Maximalmenge geladen. Nach 43 km, südlich von Geisingen, ist die Herrlichkeit zu Ende. Im Norden versperrt eine riesige dunkle Regenwand den Weiterflug Richtung Winzeln-Kreis. Sie müsste östlich oder westlich umgangen werden. Wir versuchen es nach Osten. Wohl glitzern weit rechts in der Sonne zwei Arme des Bodensees. Aber über uns sind die Wolken nur noch träge, ausgefranste Wassersäcke. Im Moment ist es schwierig, überhaupt noch eine vernünftige Höhe zu halten. Wir versuchen es zunächst mit etwas Zurückfliegen, umsonst. Also mutig dorthin, wo die Wolkenunterseiten noch schwärzer werden. Eine Zeit lang sind wir im Regen. Vor Tuttlingen erreichen wir noch einmal 2000 Meter. Jetzt reicht es sicher auf das Klippeneck. Weit vorne sehen wir bald den Platz auf der Albhochfläche - im Regen. Das wird eine schöne Nässe sein dort! Und was bringt uns das? Wenn wir nicht den ersten Kreis erreichen, haben wir keinen einzigen Punkt. Halt, der Flugplatz Rottweil-Zepfenhan liegt knapp innerhalb. Gemäss GPS müsste er noch zu erreichen sein. So lassen wir das Klippeneck rechts liegen und folgen dem Pfeil auf dem Filser-Display zum neuen Ziel. Gespannt überwachen wir die Höhenreserve. Wo ist nur dieser Platz? Da, quer vor uns liegt die Asphaltpiste. Wir melden uns auf der Platzfrequenz und drehen in den Gegenanflug ein. Auch hier regt sich kein Lüftchen mehr. Wie ein Verkehrsflugzeug fliegen wir einen langen Final und setzten auf der Centerline der leicht ansteigenden Hartbelagpiste auf. Links und rechts am Boden hat es niedrige Beleuchtungskörper und hohes Gras. Mit einem gekonnten Schlenker dreht Richi am Schluss in den Rollweg ein und stoppt vor dem ebenerdigen "Kontrolltürmchen". Von dort tönt uns Beifall entgegen für unser Manöver. Um uns herum wird es immer schwärzer.


Nach der Landung in Rottweil. Da braut sich was zusammen. Also schnell telefonieren.

Wir sind nicht die einzigen Gestrandeten.

Kurz nach uns landen noch drei Segelflugzeuge, die wir zur Seite schieben helfen. Schon warnt uns die Platzleitung, wir möchten die Flugzeuge schleunigst unter Dach bringen, es seien Winde von gegen 100 km/h angesagt. Der einheimische Schlepp-Pilot macht ein Hangartor auf, wir können gerade noch die Flächen unseres Duos ins Gras legen und den Rumpf im schon vollen Hangar aufrecht fixieren. Nachdem die Tore geschlossen sind, beginnt es zu prasseln. Wir flüchten uns ins Restaurant. Von Heimschlepp kann nicht die Rede sein. Auch unser Wettbewerbskamerad Bernhard Matt vom Flugplatz Hütten hat den Rückflug mit Motorhilfe abgebrochen. Seine Ventus 2ct steht neben unserem Rumpf im Trockenen. Also muss Leo wieder in Aktion treten. Es wird seine weiteste Fahrt werden in diesen Tagen. Denn wir werden den verladenen Doppelsitzer gleich ins Birrfeld bringen und dort mit kräftiger Hilfe von SGL-Leuten wieder montieren, sodass er für das Windentraining von Sonntagmorgen parat ist. Noch rechtzeitig zum Schlussfest sind wir wieder in Hütten. Heute sind wir Sechste und fallen damit auf den 5. Gesamtrang zurück. Niemand von der Doppelsitzerklasse ist zurückgekommen. Von der 18 m-Klasse schaffte einzig Max Brauchli die volle Aufgabe und damit die Rückkehr. Selbst mehr als die Hälfte der zuerst gestarteten Standardklasse musste aussenlanden. Am Sonntagvormittag ist Rangverkündigung. Man gibt hier viel auf die Form. Im ausgeräumten Hangar hat sich der Musikverein Heimatklang aus Hütten aufgebaut, davor nehmen Bänke das zahlreiche Publikum auf. Die Musik bläst einen Tusch. Der Präsident der Lufstportgemeinschaft Hotzenwald spricht ein Eröffnungswort. Herr Bürgermeister Georg Keller, der heuer sein zwanzigstes Amtsjubiläum feiert, findet in freier, gediegener Rede die rechten Worte zum Anlass. Dann spricht noch Lore, die über achtzigjährige Präsidentin des Dachverbandes in jugendlicher Lebendigkeit über die Fliegerei. Sie ist ihr, seit sie mit 18 Jahren ihren Mann – einen Flieger – kennen lernte, mit Leib und Seele verschrieben und hat die ganze ungeheure Entwicklung miterlebt. Sie betont den Wert der Fliegerfamilie, sind doch heute Jung und Alt zu dieser Feier versammelt. Sie rühmt auch den Musikverein Heimatklang, der zwischen den Ansprachen rassige Stücke schmettert. Schliesslich die Podiums-Szenen: Wettbewerbsleiter Eckart Neubronner beginnt für jede Klasse mit den Letztplatzierten. Alle haben Anrecht auf einen herzlichen Händedruck, auf eine Urkunde mit zwei Unterschriften und auf eine ausführliche spiralgeheftete Wettbewerbs-Dokumentation mit zwei persönlichen Foto-Aufnahmen am eigenen Wettbewerbsflugzeug. Die drei besten Ränge verneigen sich jeweils vor der Verbandspräsidentin, damit sie ihnen die Medaillen umhängen kann, steigen dann aufs Podium und werden gebührend abgelichtet. Für uns wichtig: Max Brauchli gewinnt Bronze in der 18 m-Klasse, die Duomannschaft landet auf dem 5. Platz. Am frühen Sonntagnachmittag verabschieden wir uns und treten die Heimfahrt an. Damit ist eine ausserordentliche Zeit zu Ende. Ich habe weite Teile Süddeutschlands fliegerisch und geografisch kennen und unsere sympathischen Fliegerkollegen nördlich des Rheins schätzen gelernt. Dafür herzlichen Dank an die Veranstalter, an Richard Hächler und an Leo Caprez, der uns mit seiner zuvorkommenden Art aus vollen Kräften unterstützt hat.

Walter Bohnenblust

Teilnehmer- und Gesamtranglisten:  www.lg-hotzenwald.de  -> NEWS -> Hotzenwaldwettbewerb 2003
Karten etc: ICAO-Karte Stuttgart
Generalkarte 1:200 000, Blatt 18, Hochschwarzwald-Bodensee
Aussenlandefelder im Südschwarzwald
Alles bei Buchhandlung Volk, Wehr: www.buchhandlung-volk.de